Guten Tag, Jorge


jorge

Im MĂ€rz 2013 ging die Nachricht in Biebrich um, dass ein großes Filmteam am Rathenauplatz drehe. Tageszeitungen berichteten ĂŒber die deutsch-mexikanische Co-Produktion „Guten Tag, RamĂłn“, die zum Februar 2015 nun endlich auch in unsere Kinos kommt. FĂŒr Wiesbadener, besonders aber fĂŒr Biebricher, ist dieser Film ein Muss. Denn es gibt vieles zu entdecken.

Das gilt nicht nur fĂŒr die Bilder aus Biebrich und dem Rheingau, auch das Rheinufer spielt seine Rolle im Hintergrund, denn RamĂłn erlebt hier seine erste bittere EnttĂ€uschung und steht in Deutschland, gerade angekommen, unverhofft auf der Straße. ErzĂ€hlt wird eine anrĂŒhrende Geschichte von Freundschaft, Toleranz und VerstĂ€ndigung.

RamĂłn kommt aus einer armen mexikanischen WĂŒstengegend, in der es wenig Arbeit, aber viel KriminalitĂ€t gibt. Um seine Familie zu unterstĂŒtzen – die Großmutter ist auf Medikamente angewiesen – versucht er ein ums andere Mal ĂŒber die Grenze in die USA zu gelangen. Zum fĂŒnften Male wird er erwischt und zurĂŒckgeschickt. Andere, mit ihm geschleuste Mexikaner hatten nicht so viel GlĂŒck und sind im Lieferwagen erstickt. So kommt er erneut frustriert in sein Dorf zurĂŒck, in dem der erfolgsversprechendste Job noch der eines Gangsters ist. Doch RamĂłn widersteht und erfĂ€hrt von seinem Freund GĂŒero von einer Tante, die in Deutschland lebt. RamĂłn weiß zwar nicht genau, wo das liegt, aber er beschließt, alleine dorthin zu reisen, verkauft ein StĂŒck Land, das er von seinem Vater erbte und bucht einen Flug nach Deutschland. FĂŒr mehr reicht sein Geld jedoch nicht. Er strandet in Biebrich, weil er die Tante nicht findet. Frierend und unglĂŒcklich wird RamĂłn auch noch bestohlen, bevor er von freundlichen alten Herrschaften und der Mitarbeiterin eines kleinen LebensmittelgeschĂ€fts aufgefangen wird.

„Guten Tag, RamĂłn“ ist ein gefĂŒhlvoller, positiver und lebensbejahender Film ĂŒber die Möglichkeit einer Freundschaft ohne gemeinsame Sprache und ĂŒber Generationengrenzen hinweg – gemeinsam gegen die Einsamkeit.

Am Rande des Exground Filmfestes, bei dem sein Film am Eröffnungsabend vorgefĂŒhrt wurde, trafen wir Jorge RamĂ­rez-SuĂĄrez, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent von „Guten Tag, RamĂłn“. In Mexiko ist Korruption das grĂ¶ĂŸte gesellschaftliche Problem. Wenige verdienen sehr viel, die Masse sehr wenig, sagt Jorge RamĂ­rez-SuĂĄrez. Krankenversicherungen kann sich kaum jemand leisten. Ein Polizist verdient umgerechnet rund 400 Euro im Monat und der Druck, etwas dazu zu verdienen, ist erheblich. RamĂłn möchte ehrlich bleiben und lieber die Heimat verlassen als dort unter die RĂ€der zu kommen. Die Geschichte dahinter entwickelte sich ĂŒber viele Jahre, in denen der Regisseur am Drehbuch schrieb und Mittel fĂŒr den Film einwarb. Ein junger Mann, völlig auf sich allein gestellt in einem fremden Land, benötigt Hilfe und schenkt dafĂŒr alten und einsamen Menschen Aufmerksamkeit und neue Lebensfreude.

Darauf angesprochen, wie es zur Wahl des Drehortes kam, erzĂ€hlt der Regisseur vom seinem Wunsch, am Wasser zu drehen. Wohl auch, um der im Film gezeigten kargen WĂŒstengegend Mexikos einen Kontrast entgegenzusetzen. In der Fragerunde nach seinem Festivalsbeitrag betonte Ramirez-Sanchez zudem, dass das Bild des Deutschen in Mexiko vornehmlich von Hollywood geprĂ€gt ist – wenn ein Deutscher vorkommt, spielt er meist die Rolle des Bösewichts, so seine Wahrnehmung. Er wollte ein hilfsbereites Bild von Deutschland zeigen, so, wie er es offenbar selbst erlebt hat.

„Seit vielen Jahren wollte ich einen Film ĂŒber einen mexikanischen Teenager in Deutschland drehen. Ich lebe seit langem in Deutschland und wollte beide LĂ€nder auf positive Weise zeigen. Die Freundschaft, die sich zwischen den beiden Hauptfiguren RamĂłn und Ruth entwickelt, spiegelt wider, wie ich als Fremder Deutschland erfahren habe. Viele junge Leute wandern in die USA aus. Ich wollte stattdessen von jenen wenigen, die nach Europa gehen, erzĂ€hlen. Ich habe Deutschland gewĂ€hlt, weil ich das Land sehr gut kenne. Das Deutschland von heute ist eine Nation, dessen Menschen, mehr als jedes andere europĂ€ische Land, sich der Immigranten, FlĂŒchtlinge und Menschen in Not annehmen.“

JORGE RAMÍREZ-SUÁREZ wurde in Mexiko City geboren, lebt in Taunusstein und hat die mexikanische und deutsche Staatsangehörigkeit. Er erlangte ein Diplom in Politikwissenschaft (UNAM), in Fotografie (Escuela Activa de Fotografia) und in Film vom mexikanischen Centro de CapacitaciĂłn CinematogrĂĄfica (CCC), eine der renommiertesten Filmakademien der Welt. Schon wĂ€hrend seines Filmstudiums begann er als Regieassistent und Produzent zu arbeiten, bevor er schließlich seine Karriere als Regisseur in Angriff nahm. Mit CONEJO EN LA LUNA („Rabbit on the Moon“, 2004), seinem DebĂŒt als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent, fand er auf Anhieb internationale Anerkennung. Der Film wurde auf dem Berlinale Filmfestival 2005 uraufgefĂŒhrt, in 30 LĂ€nder vertrieben und auf zahlreichen Festivals prĂ€sentiert (darunter AFI Los Angeles, Moskau und London). Er wurde mit dem Prix Rail D’oc fĂŒr den besten Film in Toulouse in Frankreich und dem Manuel Barba-Award fĂŒr das Beste Drehbuch in Huelva in Spanien ausgezeichnet und elfmal fĂŒr die mexikanischen Academy Awards und Film Journalists Awards nominiert.

20th Century Fox brachte Jorge RamĂ­rez-SuĂĄrez Film „Guten Tag, RamĂłn“ am 21. August in die mexikanischen Kinos, wo er sich zum Überraschungserfolg der Saison entwickelte. Gemessen an der Anzahl der Kopien war er der erfolgreichste Film des Jahres und erreichte mehr als 1,5 Millionen Zuschauer. Gedreht wurde in Durango/Mexiko sowie in Wiesbaden und Frankfurt.

Preview am 16. Januar in der Caligari FilmbĂŒhne

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