Energiewende: Findet Wiesbaden den richtigen Mix?

NACHTRAG VOM 5. SEPTEMBER 2014: BĂśRGERBEGEHREN GEGEN WINDKRAFT AUF DEM TAUNUSKAMM STARTET AM 13. SEPTEMBER –

Das bereits angekündigte Bürgerbegehren ist nun eingeleitet. In einer gemeinsamen Pressekonferenz der Oppositionsparteien Bürgerliste Wiesbaden, FDP und den Wiesbadener Mitgliedern des Vereins Rettet den Taunuskamm e.V. wurden heute das Verfahren und die Beweggründe im Rathaus erläutert.

Pressekonferenz

Pressekonferenz

In den Stellungnahmen von Politik und Initiativen wird das gesamte bisherige Verfahren stark angegriffen. Dr. Michael von Poser z.B. hält die aktuelle Umfrage durch das Meinungsforschungsinstitut EMNID im Auftrag von Taunuswind „fĂĽr einen Scherz“. Abgesehen von 3 konkreteren Fragen zum geplanten Windpark selbst, die nur von BĂĽrgern mit in der Sache vertiefter Kenntnis ĂĽberhaupt beantwortbar sind, sieht er die Umfrage in seiner Wertigkeit als gesteuert an, bei der nur ein positives Ergebnis zur Akzeptanz herauskommen kann. Auf Nachfrage des lilienjournals kritisiert die BĂĽrgerliste hier vor allem, dass es einen klaren Auftrag an den Magistrat gab, eine unabhängige Umfrage hierzu durchzufĂĽhren. Jedoch hat der Umweltdezernent diese Umfrage an das städtische Tochterunternehmen Taunuswind GmbH delegiert, die wiederum Auftraggeber des Meinungsforschungsinstituts EMNID ist. Die BĂĽrgerliste hält diese Umgehung eines Magistratsauftrags schlichtweg fĂĽr einen Skandal.

Die FDP, hier vertreten durch den Fraktionschef Christian Diers (oben rechts im Bild), sieht vor allem keine ausreichende Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojektes gegeben. Mit etwa 50 Millionen EURO Kosten fĂĽr ESWE-Versorgung rechnet man alleine fĂĽr die Erstellung der 10 Windkraftanlagen, die in doppeltem MaĂźe durch den BĂĽrger subventioniert werden sollen. Einerseits durch die EinspeisungsvergĂĽtungen via Stromrechnung, andererseits durch die Risiken fĂĽr den Stadthaushalt, wenn die Kalkulationen zur Stromerzeugung nicht aufgehen.

An dieser Stelle kritisiert auch der Wiesbadener Vertreter der Initiative „Rettet den Taunuskamm“, Michael Hopp, die nach wie vor fehlenden tatsächlichen Messungen an den Stellen der geplanten Errichtung. Von lediglich 4,5 m/s gehen die Protagonisten des BĂĽrgerbegehrens aus und beziehen sich hierbei auf Windkartierungen. Aus ihrer Sicht zu wenig, um tragfähige Lasten zu erzeugen. Zudem wird kritisiert, dass Taunuswind erst jetzt mit konkreten Messungen durch ein lasergestĂĽtztes Verfahren beginnt (LiDAR), welches angezweifelt wird. Auch wundert man sich ĂĽber die in verschiedenen Gutachten errechneten Werte, die mit jedem weiteren ein wenig besser wurden. Die physikalische Besonderheit von WKA in Waldgebieten an Berghängen, durch so erzeugte Verwirbelungen einen fĂĽr steten Antrieb sorgenden Luftstrom zu erschweren, wird ebenso angefĂĽhrt, sogar durch eine anwesende Pressevertreterin, die sich dies von einem Physiker bestätigen lieĂź.

Der Verein Rettet den Taunuskamm e.V. hat derzeit ca. 1.000 Mitglieder aus Taunusstein, Wiesbaden und Umgebung.

Dr. Michael von Poser äußert zudem eine weitere Befürchtung. Stehen die ersten Windräder, kommen schnell weitere hinzu.

WENN DIE STADT NICHT BAUT VERPACHTET HESSEN-FORST ANDERWEITIG?

Dies hält die BĂĽrgerliste vor allem fĂĽr eine bewusste Verunsicherung der BĂĽrger, um Stimmung zu machen. Sie bezieht sich hier auch auf klare Aussagen von Ministerpräsident Volker Bouffier und Innenminister Peter Beuth, nicht gegen den Willen der Bevölkerung der Errichtung von WKA zuzustimmen. Kolportiert wird dabei auch eine Aussage von Volker Bouffier: „Ich werde doch nicht die Polizei in den Wald schicken.“

Hessen-Forst als Landesbehörde wird nicht gegen den Auftrag der Landesregierung handeln, so die Annahme. Sollte sich deren Meinung zwischenzeitlich durch die Neubesetzung in Schwarz-Grün geändert haben, so käme dieser Stimmungswandel in der Bevölkerung kaum sonderlich gut an, da gegen deren mehrheitliche Interessen gehandelt würde.

Zudem scheinen weitere Optionen denkbar, sollte ein BĂĽrgerbegehren oder auch ein erfolgreich erstrittener BĂĽrgerentscheid an den hohen HĂĽrden des Quorums scheitern (25 % der stimmberechtigten Wiesbadener – rund 50.000 – mĂĽssen an  der Abstimmung, die innerhalb von 6 Monaten stattfinden muss, teilnehmen und sich mehrheitlich gegen die WKA entscheiden).

Ein klageberechtigter Umweltverband hat angekündigt, in diesem Falle gegen die Ausweitung von Windvorranggebieten auf FFH-Schutzgebiete, wie derzeit durch Taunuswind beantragt, vor Gericht zu ziehen. Dieses Risiko, wie weiteren Widerstand, auch durch die erklärte Absicht der Flugsicherung auf den festgelegten Mindestabstand von 15 Kilometern solcher Großanlagen zu Funkfeuern zu bestehen, müssten auch private Betreiber fürchten, sollten sie anstelle der Stadt versuchen an den geplanten Flächen WKA-Anlagen zu errichten. Dieser Radius reicht in die durch das sogenannte Zielabweichungsverfahren beantragte Ausweitung der Vorhabensflächen hinein.

FAZIT des lilienjournals: Viele Unwägbarkeiten für alle Seiten. Eine Entscheidung kann sich bis weit in das Jahr 2015 hineinziehen. Es bleibt spannend und wir am Ball. 


ERSTVERĂ–FFENTLICHUNG 24. JUNI 2014

Wie kam es zum Wiesbadener Klimaschutzziel 20-20-20 und welche Erneuerbaren Energien nutzen wir hier heute? Was ist der Stand der Dinge auf dem Taunuskamm? Was sagen die Menschen in Wiesbaden und Taunusstein dazu? Und was war eigentlich los beim 1. BĂĽrgerforum „Erneuerbare Energien“?

Kaum ein Thema wird in Wiesbaden und über seine Stadtgrenzen hinweg seit Anfang 2013 so emotional und oft auch unsachlich debattiert wie die geplanten Windkraftanlagen auf dem Taunuskamm. Dabei wären diese, so sie denn verwirklicht werden können, nur ein Teil der parlamentarisch bereits 2007 beschlossenen Energiewende, die einen lokal erzeugten Produktionsanteil durch erneuerbare Energien von wenigstens 20 Prozent bis 2020 vorsieht bei gleichzeitiger Einsparung von Energie in Höhe von 20 Prozent. Abgekürzt lautet diese Zielsetzung daher 20-20-20. Wie diese Anteile und Einsparungen aussehen sollen, war nicht Bestandteil des Parlamentsbeschlusses unter dem Titel: „Klimaschutz erreicht man nur durch Taten!“ So wirkte er zunächst im Verborgenen bei den Planungsbeauftragten von Stadt und Stadtwerken.

Da die Windkraft innerhalb der erneuerbaren Energien als unverzichtbar angesehen wird, um dieses Ziel überhaupt erreichen zu können, wurde bereits im Mai 2012 die ESWE Taunuswind GmbH (zunächst ESWE Wind GmbH) gegründet, und diese begann mit den Planungen. Die Städte Taunusstein und Wiesbaden wollten dann mit jeweils 24,5 Prozent als Minderheitsgesellschafter einsteigen. Bis heute aber ist es nicht dazu gekommen. Von Anfang an und bereits in der Bilanz 2012 zu lesen (veröffentlicht am 6.3.2014), standen zudem Unwägbarkeiten im Raum. So heißt es dort unter der Rubrik „Risiken der zukünftigen Entwicklung“: „Ein wesentliches Risiko für den Fortbestand des Unternehmens besteht darin, dass die anstehenden arten- und naturschutzrechtlichen Untersuchungen oder andere sich im Verlaufe der Prüfungen ergebende Sachverhalte dazu führen, dass die Errichtung eines Windparks technisch, wirtschaftlich oder rechtlich nicht realisierbar ist. Dies hätte zur Folge, dass die Geschäftsgrundlage des Unternehmens entfällt und die bereits getätigten Ausgaben verloren gehen.“ (Quelle: www.ebundesanzeiger.de)

An dieser Stelle sei auch Teil 3 des Beschlusses zur Energiewende vom 10.05.2007 erwähnt: „Zur Umsetzung der verbindlichen Ziele wird die GrĂĽndung einer Gesellschaft vorgeschlagen, die den Geschäftszweck hat, die verschiedensten Möglichkeiten erneuerbarer Energien anzustoĂźen, zu unterstĂĽtzen und zu finanzieren. Sie soll selbst Projekte entwickeln, aber auch ĂĽber Fondstrukturen Beteiligungen Privater ermöglichen.(…)“ Während die grundsätzlichen BeschlĂĽsse zu 20-20-20 quasi einstimmig angenommen wurden, widersprachen hier die BĂĽrgerliste Wiesbaden, Linke Liste und die SPD.

Wiesbaden, in Kessellage und vom Rhein an nordwärts in allen Bereichen recht eng besiedelt, hat nur wenig freie Flächen, die aufgrund der geforderten Mindestabstände zur Wohnbebauung ĂĽberhaupt fĂĽr Windparks in Frage kommen. So lag aus Sicht der Planer der Taunuskamm nahe. Standorte mit groĂźem Windpotenzial, teils auch durch StĂĽrme gerodete „Windwurfflächen“ boten sich aus ihrer Sicht als geeignete Stellen an. Man kann den Planern jedoch vorhalten, dass sie sich in erster Linie an möglicher Effizienz orientierten und dabei weniger das Landschaftsbild im Kontext zur Bewerbung Wiesbadens als Weltkulturerbe im Blick hatten. Auch die Politik hatte nicht mit solch heftigem Gegenwind von BĂĽrgern und Anrainergemeinden gerechnet. (…)

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