Einweihung – Das RMCC ist angerichtet

Nun sind sie fertig. Die neuen Hallen. Die als RheinMain CongressCentrum die Messelandschaft bereichern sollen. Und nach ziemlich einhelliger Meinung werden sie fĂĽr gut befunden. FĂĽr sehr gut! Selbstbewusst bezeichnet sich das RMCC als das innovativste aller deutschen Veranstaltungszentren. Eine Bauabnahme von Mario Bohrmann

Die bislang größte Einzelbaumaßnahme der Landeshauptstadt wurde pünktlich fertiggestellt und wird am 13. April feierlich eröffnet. Im Herbst 2014 kam die Abrissbirne für die alten Rhein-Main-Hallen, sie hatten einfach ausgedient. 2015 begann der Aushub für die Tiefgaragen des nun deutlich größeren Neubaus an gleicher Stelle. Eine dabei gefundene Fliegerbombe wie auch ungünstige Wetterbedingungen konnten die avisierte Eröffnung Anfang 2018 aber nicht gefährden. Der Kostenrahmen von 194 Millionen Euro wurde exakt eingehalten. Für ein öffentliches Bauvorhaben ist das so verwunderlich wie bewundernswert.

Dass dies so ist, ist sicher nicht zuletzt Henning Wossidlo als letztem Kurdirektor dieser Stadt zu verdanken, der als beauftragter Baubetriebsleiter von der Planung über den ersten Spatenstich und das Richtfest bis hin zur Eröffnung das ganze Vorhaben maßgeblich koordinierte und nun gemeinsam mit dem Architekten Ferdinand Heide verdiente Lorbeeren von allen Seiten erntet. Wossidlo zieht jetzt noch einige Monate mit in die RMCC-Büros ein, um im Betrieb letzte Mängel am Bau oder den Abläufen zu finden. Aber wie es aussieht, haben alle gut gearbeitet. Und vor allem freuen sich alle über das Ergebnis. Während des Baus gab es keine größeren Probleme und auch keine größeren Baustellenunfälle. Im Gegenteil, hört man sich bei am Neubau beteiligten Handwerkern oder Dienstleistern um und hat man die Bauarbeiten gelegentlich verfolgt, lief nicht nur augenscheinlich alles reibungslos. Die Beteiligten hatten vor allem ein gemeinsames Ziel.

Tagen im Zeichen der Kolonnaden

Die Außenwirkung der Hallenkomplexe ist bereits enorm. Die Architektur greift mit ihrer säulenartigen Aufmachung sehr gut das Wiesbadener Thema der Kolonnaden an Kurhaus und Theater auf. Zugleich schützen die vor der Halle Nord stehenden Kolonnaden das Foyer vor zu viel Sonne, ohne das Licht zu nehmen. Die Fassadenverkleidung aus türkischem Travertin setzt im Sonnenlicht einen goldglänzenden Kontrast zu den Betonwerksteinen des Bodens. Die gesamte Durchwegung zwischen und über die Hallen ist mit gelbem Granit aus Portugal gepflastert. Hier zeigt sich die Firma Gramenz, die den Auftrag für die meisten Verlegearbeiten im Außenbereich erhielt, froh, die Herausforderung gerade bei den gewaltigen Treppen über große Höhen gemeistert zu haben. Eine Granitstufe von zwei Metern Länge wiegt rund 400 Kilo. Diese teils mit Kränen an ihren exakten Standort zu bringen, war eine logistische und technische Herausforderung.

In Abstimmung mit dem Landesmuseum gegenüber, das zugleich seine Kolonnaden saniert, wurden auch alle Vorplätze völlig neu angelegt. Durch die zurückversetzte Lage des RMCC und die Wegnahme von Straßenraum eroberte man hier ganz neue Aufenthaltsflächen und -qualitäten, die von Baumalleen und Wasserspiegeln begleitet werden.

Städtebauliches und architektonisches Konzept

„Das Prinzip des Hauses ist das einer Schichtung: Der angrenzende öffentliche Raum – sei es der Vorplatz, der Park oder die neuen vorgelagerten Grünflächen – finden eine Fort­setzung in den Kolonnaden, gehen über in die Foyerzonen und von dort in die Veranstal­tungs­hallen. Ein spannungsreicher Wechsel von Transparenz, gegliederten, offenen und raumabschließenden Elementen verleiht dem großen Baukörper eine Leichtigkeit und markante Anmutung. Mit hochwertigen Materialien in warmen Gelb- und Beige-Tönen sucht das neue Kongresszentrum einen würdevollen Auftritt in der Nachbarschaft von Museum und Ministerien. Das gewählte Fassaden- und Ordnungsprinzip erlaubt eine vier­seitig ähnliche Ausbildung und bietet zusätzlich die Chance, die Anliefer- und Ladezonen für beide Hallen in das Volumen und in die Fassaden zu integrieren.“ (Auszug Architekturbüro Ferdinand Heide)

 

Höchste Flexibilität

Das RMCC ist ganz auf Kongresse und Tagungen ausgerichtet, aber multifunktional auch für Messen, Live-Konzerte oder andere Bühnenshows geeignet. Die Grundstruktur des Hauses besteht aus zwei großen Hallen mit angegliederten Foyers im Erdgeschoss auf insgesamt rund 10.000 Quadratmetern Fläche. Im Obergeschoss von Halle Süd befindet sich mit dem Terrassensaal eine weitere Halle von 2.400 Quadratmetern sowie zahlreiche Säle, Break-out-Räume und Logen mit Kapazitäten von 20 bis 280 Quadratmetern. In Halle Nord mit ihren 4.600 Quadratmetern Fläche finden bis zu 9.000 Personen Platz, 5.000 Plätze können bestuhlt werden. Im gesamten Haus wird außerdem modernste Medientechnik eingesetzt. Alle drei großen Hallen, Säle und Salons lassen sich in mehrere Segmente unterteilen. Im gesamten Haus finden sich über 5.000 Quadratmeter Schiebewände, die aus optischen und akustischen Gründen entweder mit gelochten Eiche-Paneelen oder mit silbrig glänzenden Metall-Paneelen belegt sind. Einzigartig – auch in der deutschen Veranstaltungslandschaft – sind die 15 Meter hohen mobilen Trennwände, mit denen die große Halle Nord in drei Segmente unterteilt werden kann. Um im geöffneten Zustand diese Elemente nicht sichtbar in der Halle stehen zu haben, wurde für die Parkposition eine geschlossene Garage gebaut.

Mobile TribĂĽne

Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal ist die vollautomatische mobile Tribüne in Halle Nord, die für Veranstaltungen ausgefahren werden kann. Sie ist wie die mobilen Trennwände versteckt in einer Garage geparkt und wird für den Verschiebeprozess von in die Stahl­unter­konstruktion integrierte Luftkissen um zwei Zentimeter angehoben und über im Hallenboden eingelassene Kettenzugschienen verschoben. Eine beachtliche Leistung vor dem Hintergrund, dass die Tribüne 40 Meter breit und 45 Tonnen schwer ist. Die mobile Tribüne verfügt über 3.000 komfortable, gepolsterte Sitze, die im Verschiebeprozess mit eingeklappt werden. Die oberen Reihen der Tribüne befinden sich auf 8,80 Metern Höhe und werden von den Zuschauern direkt über die Galerie­ebene des Hauptfoyers erschlossen. Ebenerdig vor der Tribüne ­– im Parkett – können weitere 2.000 Sitzplätze aufgestellt werden. Die Tribüne mit Garage hat alleine fünf Millionen Euro gekostet. Ansonsten hat man im Haus vergleichsweise wenig Mobiliar und keine Massenbestuhlung. Dazu fehlen die Lagerkapazitäten, denn das RMCC ist komplett auf seine originäre Nutzung als Kongresszentrum ausgerichtet. Hier arbeitet es mit Dienstleistern zusammen, die Bestuhlung und Mobiliar ereignisbezogen liefern und aufbauen.

Nachhaltig gebaut und betrieben

Nachhaltigkeit war von Beginn an ein zentrales Anliegen des Bauherrn, denn das RMCC strebte den allerhöchsten Umweltstandard in dieser Gebäudeart an. Bereits drei Jahre vor Eröffnung wurde das Haus mit dem Vorzertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in Platin ausgezeichnet und zählt damit zu den nachhaltigsten der Welt. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf neueste Umweltleitlinien, beste Zertifizierungsstandards und höchste Energieeffizienz gelegt. So erfolgt die Beheizung des RMCC über temperierte Bodenflächen mittels einer Wärmepumpe. Die Versorgung der Spitzenlasten erfolgt mit Fernwärme aus dem Biomasse-Heizkraftwerk. Der hierfür benötigte Strom wird über die eigene Photovoltaikanlage auf dem Dach der großen Halle 1 erzeugt. Das Ergebnis: Die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2016 wird dabei unterschritten, was den hohen energetischen Standard des RMCC dokumentiert, zu dem auch wärmespeichernde Baumaterialien und optimale Tageslichtausnutzung gehören.

Auftragsvergabe in Einzellosen

Üblicherweise werden solche Großprojekte eher im Gesamten ausgeschrieben und an einen Generalunternehmer vergeben. Diese Praxis führt immer wieder zu teuren Nachträgen und Nachverhandlungen bei öffentlichen Projekten. Wiesbaden entschied sich, die Arbeiten für das RMCC in einzelnen Gewerken auszuschreiben, die Aufträge also in sogenannten Einzellosen zu vergeben. Diese Praxis hat sich hier, wie es scheint, bestens bewährt. Denn nicht nur wurde der Kostenrahmen eingehalten, sondern mittelständische Betriebe aus der Region hatten die gleichen Chancen wie der internationale Baukonzern, wenn Angebot und Preis stimmten. So macht Siegfried Huhle, Kreishandwerksmeister von Wiesbaden und einer der Geschäftsführer von Stahlbau-Huhle, keinen Hehl daraus, den größten Einzelauftrag der Firmengeschichte durch den Neubau des RMCC erhalten zu haben. Nicht wegen guter Beziehungen, sondern wegen des günstigsten Angebots. Huhle meint, das zeige, dass auch Wiesbadener Firmen durchaus national wettbewerbsfähig sind, und wünscht sich, dass alle öffentlichen Vorhaben so ausgeschrieben werden. Zumal der regionale Handwerker, wenn es ein guter ist, doch einen ganz anderen Bezug zu seiner Leistung hat als zu einem Auftrag in der Fremde. Siegfried Huhle zum Selbstverständnis seines Handwerks und zum RMCC:

„Wenn der Handwerker stolz ist auf sein Produkt, flüchtet er nicht von der Baustelle. Ich will da gerne hingehen und voller Stolz sagen: Hier, das haben wir gemacht. Alle Mitarbeiter, die beteiligt waren, freuen sich über das Geleistete.“

Auch hat der Stahlbauer wertvolle neue Erfahrungen gemacht durch die hohen Umweltanforderungen an alle Baumaterialen. Die Platinauszeichnung für ein umweltfreundliches Gebäude zu erhalten und zu behalten, war auch eine große Herausforderung für die Handwerksbetriebe. Beim Einsatz von Kunststoffen, Holzschutzmitteln, Lacken, Farben, Silikonen und anderen Materialien wurde darauf geachtet, dass sie so umweltfreundlich wie möglich waren. Jedes beabsichtigte Arbeitsmittel musste vorher einem Prüfinstitut vorgestellt werden. Umweltschonend produzieren stand im absoluten Vordergrund.

Faires Miteinander auf dem Bau

Hier teilt der Stahlbauer Huhle die Erfahrungen des Garten- und Landschaftsbauers Gramenz. Beide Unternehmen loben das professionelle Arbeiten auf der Baustelle, auf der teils an dutzenden Gewerken innen wie auĂźen gleichzeitig gearbeitet wurde. Auch das Miteinander in den Bausitzungen wird gelobt. Wenn Druck erzeugt wurde, geschah es in sehr menschlichem Rahmen. Der gemeinsame Wille, das Ziel zu erreichen und im Kosten- und Terminrahmen zu bleiben, war entscheidend. Siegfried Huhle:

„Jeder hat sein Möglichstes getan, damit das Beste dabei rauskommt. Wir haben auch bei den Gewerken zusammengearbeitet, und man half sich auch mal gegenseitig. Es hat Spaß gemacht. Ein Projekt in dieser Größenordnung in Einzelgewerken zu vergeben, ist schon eine große Leistung. Architekt wie Bauprojektleiter wollten ein perfektes Ergebnis und haben gemeinsam mit Handwerkern und Bauleuten hart darauf hingearbeitet.“

 

Kosten und Nutzen

Nur die sogenannte Umwegrentabilität und der im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsfaktor RMCC stehende Umsatzeffekt für Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel und Beförderungsgewerbe veranlassten die Stadt dazu, dieses Großprojekt voranzutreiben. Schon bei den alten Rhein-Main-Hallen musste die Stadt jährliche Verluste durch den Messebetrieb hinnehmen. Zuletzt übernahm sie 1,7 Millionen Euro Defizit der Rhein-Main-Hallen GmbH. Es lieg auf der Hand, dass der Neubau für die Stadt auf Jahrzehnte hinaus zunächst ein unmittelbares Zuschussgeschäft bleiben wird. Mindestens 6,7 Millionen Euro jährlich werden es nach Berechnungen von Kämmerer Axel Imholz über die nächsten 30 Jahre sein. In der Hoffnung, dass die Kongresshallen sehr erfolgreich vermarktet werden können, wird eventuell schon zuvor mit einem leichten Überschuss gerechnet. Es hängt auch von der Nachhaltigkeit in ihrem Erfolg ab. Aber die ersten Buchungen versprechen in jedem Falle ein großes Interesse am neuen Kongressgebäude und viele neue Besucher in der Stadt.

Hatte man mit dem Ball des Sports im Februar bereits eine gelungene Generalprobe für die kleinere Halle Süd, so steigt unmittelbar am Eröffnungswochenende das erste Großevent mit der Magieshow der Ehrlich-Brothers in der großen Halle Nord. Bereits eine Woche später tagt der Bundesparteitag der SPD mit 3.000 Delegierten in der Stadt. Ein Glücksgriff, wird hierüber doch medial stark berichtet und angesichts der Neueröffnung sicher auch über das RMCC selbst.

Eröffnungswochenende

Am großen Eröffnungswochenende am 13. und 14. April präsentiert sich das Haus allen interessierten Besuchern. An diesen beiden Tagen sind alle Räume geöffnet, verschiedene Bestuhlungsvarianten sollen das flexible und vielfältige Nutzungsprogramm veranschaulichen. Für das leibliche Wohl sorgt der Gastronomiepartner Kuffler Congress Catering, der an diesem Tag seine Arbeit aufnimmt. Das dazugehörende Restaurant „Bagutta“, als italienisches Wirtshaus mit Terrasse, wird dauerhaft öffentlich zugänglich sein.

HINWEIS: In unserer Herbstausgabe 2014 berichteten wir ausfĂĽhrlich ĂĽber die Vorgeschichte des Baus und HintergrĂĽnde zur Wahl des GrundstĂĽcks. Siehe:

Vom Rheinbahnhof zu den Rhein-Main-Hallen 2.0

Rhein-Main-Hallen: Über Umwege zur Rentabilität?

 

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