CITYBAHN – Aller guten Dinge sind drei?

Die derzeit in Planung befindliche CityBahn ist der dritte Anlauf der Landeshauptstadt in den letzten 20 Jahren, schienengebundenen Personennahverkehr in Wiesbaden wieder einzufĂĽhren. Von Mario Bohrmann

Wiesbaden hatte bereits eine StraĂźenbahn, die mit Mainz verbunden war. Sie gehörte, wie auch die frĂĽhere Taunuseisenbahn, zu den ersten Schienenwegen Deutschlands im Nah- und Fernverkehr. Die heutigen Buslinien 6 und 9 waren die frĂĽheren StraĂźenbahnlinien gleicher Nummerierung, die in der Nachkriegszeit auf Wiesbadener Seite abgeschafft wurden. Die Linie 6 gehört nach wie vor zu den meistfrequentierten Busverbindungen der Stadt. 1955 fuhr die letzte StraĂźenbahn, noch einige Zeit gefolgt von den „O-Bussen“, den elektrischen Bussen, die noch die Oberleitung der vergangenen StraĂźenbahn nutzen konnten. Dann wurde Wiesbaden „autogerecht“, setzte voll und nahezu ausschlieĂźlich auf Individualverkehr, was es dieser Stadt heute so schwer macht, die Uhr zurĂĽckzudrehen und Radfahrern, FuĂźgängern oder alternativen Verkehrssystemen mehr Raum zu gönnen, bzw. ihn vernĂĽnftig und sicher gemeinsam zu nutzen. Ob eine StraĂźenbahn das beste Mittel ist, sei dahingestellt. Es ist derzeit alternativlos, will die Stadt nicht zu Dieselfahrerboten verdammt werden. Die bereits beschlossene Umstellung von Diesel- auf Elektrobusse alleine reicht nicht aus, um die Stickoxidwerte wieder auf ein erträgliches MaĂź zu senken, und löst auch nicht das Kapazitätsproblem eines wachsenden Wiesbaden. Jetzt schon stehen sich die Busse in den Hauptverkehrszeiten im Weg und mit den Autos im Stau. Die politisch Verantwortlichen mĂĽssen jetzt handeln – oder sie werden dazu gezwungen.

Wir werden das Projekt auch über die Bürgerbeteiligungsphase hinaus begleiten und in weiteren Ausgaben auch den Fragen nach den (ergänzenden) Alternativen nachgehen, wie auch drohende Diesel- oder allgemeine Fahrverbote oder andere Maßnahmen zur Luftverbesserung näher erläutern.

Erst zum Winter werden die Planungsergebnisse der derzeitig erstellten Nutzen-Kosten-Analyse veröffentlicht. Noch ist vieles unklar, auch Routen sind noch nicht festgelegt, es gibt dutzende Varianten der Ausgestaltung. Fest steht nur, dass die Hochschule RheinMain über die Wiesbadener City und den Hauptbahnhof mit der Theodor-Heuss-Brücke verbunden werden soll. Dies ist auf verschiedenen Wegen durch Mainz-Kastel über den Petersweg möglich, aber auch über Amöneburg nach Biebrich und weiter über die Biebricher Allee zum Hauptbahnhof. Diese Alternativplanung hat vermutlich sogar die größeren Chancen, da deutlich mehr Menschen erreicht werden und der Nutzen-Kosten-Faktor mutmaßlich besser liegt.

Politisch motivierte Antistimmung

Obgleich also noch wenig Genaues bekannt ist und nahezu alle Fraktionen die ergebnisoffene Prüfung befürworten, machen Gegner schon wieder mobil. Bereits 2001 und zuletzt 2013 scheiterten die Stadtbahn-Pläne, der seinerzeit allerdings eine völlig andere Planung zugrunde lag. Sie sollte vor allem die Aartalbahn ab Bad Schwalbach reaktivieren und dann durch Klarenthal in die Innenstadt führen. Beide Male wurden die Projekte noch im Planungsstadium durch veränderte politische Verhältnisse unter FDP-Verantwortung beerdigt. Zuletzt mit einem Federstrich durch den damaligen hessischen FDP-Verkehrsminister Florian Rentsch. Heute sind die Rahmenbedingungen und auch die Planungen völlig andere. Die Aussichten, dass rund 65 Jahre nach deren Abschaffung wieder Straßenbahnen zwischen Mainz und Wiesbaden verkehren, sind zumindest nicht schlecht. Dies hat viele Gründe, auf die auch der Chefplaner für das Projekt von ESWE-Verkehr, Professor Hermann Zemlin, in einem Interview näher eingeht. Eine CityBahn macht nur dann Sinn, wenn das Projekt die Kostenzusage von Bund und Land erhält, weil entsprechende Untersuchungen hier ein positives Ergebnis erzielen. Der Nutzen für den ÖPNV muss besser werden, es darf keine Verschlechterung durch die Bahn an anderen Stellen geben.

Gründung der CityBahn GmbH und Bürgerbeteiligung

Am 03.08.2017 wurde von der Mainzer Stadtwerke AG und der WVV Wiesbaden Holding GmbH die CityBahn GmbH gegrĂĽndet. Beide Gesellschafter halten jeweils 50 % des Stammkapitals. Gegenstand des Unternehmens CityBahn GmbH sind die Planung, der Bau und der spätere Betrieb der CityBahn Mainz – Wiesbaden – Bad Schwalbach in Verbindung mit dem vorhandenen Mainzer StraĂźenbahnnetz.

Zum Jahresende wird die Nutzen-Kosten-Untersuchung erstmals vorgestellt und die Bürgerbeteiligungsphase beginnt. Auf der Webseite werden dann Fakten zum Projekt dargestellt, eine verständliche Aufbereitung und laufende Aktualisierung soll die Ergebnisse aus der Bürgerbeteiligung aufgreifen. Auch Lösungen für die Integration der Stadtbahn in das Stadtbild sollen gemeinsam gefunden werden.

Infomessen vor Ort

Die Ergebnisse der Vorplanungen sollen ab Anfang des Jahres in den Stadtteilen präsentiert werden. Die nun konkreteren Planungen sollen vorgestellt und diskutiert, Fragen und Anregungen der Bürger dokumentiert werden.

http://citybahn-verbindet.de/

Ausgewählte Fragen und Antworten zur CityBahn

Was kostet die CityBahn? Wer ĂĽbernimmt die Finanzierung?

Die Baukosten für die Realisierung des Streckenabschnitts zwischen der Theodor-Heuss-Brücke und der Hochschule RheinMain werden auf insgesamt 149 Millionen Euro geschätzt. Das Land Hessen hat die Finanzierung einer Linie von Mainz bis nach Bad Schwalbach bereits beim Bund angemeldet. Dieser zahlt voraussichtlich über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) einen Großteil der anfallenden Kosten des Streckenbaus. Darüber hinaus hat das Land Hessen signalisiert, sich an der Finanzierung zu beteiligen. An der Anschaffung der Fahrzeuge wird sich das Land Hessen ebenfalls beteiligen, die genaue Höhe des Förderbetrags steht noch nicht fest.

Was kostet die Vorplanung und wer trägt die Kosten?

Die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung hat am 16.02.2017 die Mittel fĂĽr die Vorplanung der CityBahn bewilligt. Die Stadt Wiesbaden stellt 3,4 Millionen Euro zur VerfĂĽgung, das Land Hessen 465.000 Euro. Das Land Hessen hat inzwischen auch dem Rheingau-Taunus-Kreis eine Bezuschussung der Vorplanung zugesagt.

Was ist eine Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU)?

Die Nutzen-Kosten-Untersuchung ist eine vom Bund vorgegebene standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen des Öffentlichen Personennahverkehrs. Sie ist eine Verfahrensanweisung, mit der sich bestimmen lässt, ob der Nutzen eines Vorhabens beispielsweise durch Einnahmen, Emissionsminderung, Zeitersparnisse, vermiedene Verkehrsunfallkosten dessen Kosten für den Grunderwerb, Trassen-Bau, die Anschaffungder Fahrzeuge oder die Betriebskosten rechtfertigt. Wenn der gesamtgesellschaftliche Nutzen die Kosten übersteigt, gilt das Vorhaben als wirtschaftlich und ist dem Grunde nach förderungswürdig. Für die CityBahn wurde im Rahmen von vorlaufenden Machbarkeitsstudien ein positiver Nutzen-Kosten-Faktor ermittelt, so dass jetzt weitere Planungsschritte folgen können.

Wann wird die Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) veröffentlicht?

Die gesicherten Ergebnisse der NKU werden voraussichtlich im Dezember 2017 vorgestellt und veröffentlicht. Für den Streckenabschnitt zwischen der Hochschule Mainz und der Hochschule RheinMain ist davon auszugehen, dass der NKU-Faktor deutlich positiv ist. Das ist auch das Ergebnis der Voruntersuchung und der Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2016. Deshalb hat das Land Hessen den Planungsauftrag erteilt und die Planungskosten bezuschusst.

Können autonome Fahrzeuge die CityBahn ersetzen?

Große Automobilhersteller arbeiten bereits an autonomen Fahrzeugen, im Jahr 2020 sollen die ersten vollautonomen Pkw auf die Straße kommen. Sie fahren präziser als Menschen und benötigen weniger Verkehrsraum. Parkplätze werden in der heutigen Anzahl voraussichtlich nicht mehr benötigt. Das sich das autonome Fahren im ÖPNV bisher nicht etabliert hat, liegt hauptsächlich an den hohen Investitionen, die mit einem Aus- oder Umbau verbunden sind. Primär eignen sich Neubauprojekte und geschlossene Systeme für eine Automatisierung, doch auch dort müssen Stationen nachgerüstet, die Technik gekauft und ein geeignetes Sicherheitskonzept aufgestellt werden.

Bevor autonome Fahrzeuge auf deutschen Straßen fahren dürfen, müssen zudem noch viele offene Fragen geklärt werden: Wer trägt die Schuld an Verkehrsunfällen? Wiederspricht die vollständige Vernetzung und zentrale Steuerung sämtlicher Fahrzeuge dem Datenschutz der Verkehrsteilnehmer? Welchem Verkehrsteilnehmer soll ein Wagen im Notfall ausweichen – und welchem nicht? Vielbefahrene Strecken kann der autonome Verkehr ohnehin nur geringfügig entlasten, denn in ein autonomes Fahrzeug passen nicht mehr Passagiere als in einen Pkw. In einer Stadtbahn in Doppeltraktion finden hingegen rund 480 Fahrgäste Platz. Autonome Fahrzeuge können die CityBahn daher nicht ersetzen, sondern lediglich eine Zubringerfunktion übernehmen und somit den ÖPNV stärken.

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