Mietmodell Stadtmuseum: BĂĽrger begehren auf

Update 17.12. – Pressemitteilung des Arbeitskreis Stadtkultur

Viele Mitarbeiter/innen der Kultureinrichtungen, -initiativen und -vereine, die im Arbeitskreis Stadtkultur zusammen geschlossen sind, haben in den letzten Wochen dazu beigetragen, Unterschriften gegen das Mietmodell Stadtmuseum zu sammeln. Sie haben das zum weit überwiegenden Teil in der Überzeugung getan, dass Wiesbaden ein Stadtmuseum braucht, aber das von der Stadt angestrebte Finanzierungsmodell völlig überteuert ist und zu Lasten der kulturellen Vielfalt der Stadt gehen wird, wenn alle noch nicht bezifferten Folgekosten des Stadtmuseums aus dem Kulturetat finanziert werden müssen.

Mit einem Zusatz von 2 Millionen, wie von der Großen Koalition angekündigt, wäre es ja bei weitem nicht getan gewesen, um ein attraktives Museum zu betreiben. In unserer Stellungnahme vom 5.11. 2014 haben wir unsere Befürchtungen und Forderungen formuliert:

„Momentan muss davon ausgegangen werden, dass eine substantielle Erhöhung des Kulturetats für das Stadtmuseum jede weitere Erhöhung für andere Kulturträger in den kommenden Jahren ausschließt. Wenn die Betriebskosten des Stadtmuseums mehr Mittel verbrauchen als dem Kulturetat dafür zugesetzt werden, verschlechtert sich die Situation der Kulturschaffenden in Wiesbaden trotz dieser Erhöhung.“

Nun ist das Mietmodell vom Tisch. Man sollte meinen, damit entstĂĽnde Freiraum, um ĂĽber ein Stadtmuseum nachzudenken. Eines, das sich die Stadt auch leisten kann. Stattdessen sollen die Kulturschaffenden weiterhin fĂĽr ein Projekt in Haftung genommen werden, in dessen Planung sie bisher nie eingebunden waren. Sollten sie sich bis gestern ĂĽber eine neue Kulturinstitution freuen, droht nun Strafe mit Streichungen: Die Mittel fĂĽr den Kulturfonds, des Kunstsommers und das Pariser Hoftheater stehen fĂĽr die groĂźe Koalition zur Disposition.

Das alles entspricht dem Bild, das die Stadtkultur von ihrer derzeitigen Stadtpolitik hat: Gerne wird man Schirmfrau oder Schirmherr, lässt sich bei den Veranstaltungen feiern. Im Inneren hingegen herrscht Desinteresse und Geringschätzung gegenüber Künstler/innen und Kulturschaffenden, die ihr Können, ihre Energie und manchmal auch ihre Existenz (das Wort „Herzblut“ löst mittlerweile Krämpfe aus) auf die Belebung der Stadt verwenden. Bei ersten Kulturschaffenden stellt sich das Gefühl der Resignation ein.

Das Bürgerbegehren hat uns gezeigt: Die Bürger/innen lieben ihre Stadt! Denn sie nutzen engagiert demokratische Möglichkeiten, um die Kulturvielfalt zu schützen und die Stadt zusätzlich vor einem immensen finanziellen Schaden und einer vergaberechtlichen Niederlage zu bewahren. Für diese Bürger lohnt sich unser Engagement auch weiterhin!

Mit den Politiker/innen der großen Koalition ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zur Zeit schwer gestört. Wird doch jetzt von ihnen die Schuld den Kulturschaffenden zugewiesen, die gegen eine Geldverschwendung mobil gemacht haben, die sie nie gewollt hatten.

Die Forderung nach einem Kulturentwicklungsplan ist jetzt wichtiger und richtiger denn je: Wir wollen, dass ĂĽber die Schwerpunkte und die Perspektiven der Wiesbadener Kulturpolitik und –förderung professionell, kriterienbedingt und öffentlich – und vor allem: mit den Kulturschaffenden gemeinsam – verhandelt wird.

Der Arbeitskreis Stadtkultur hat das bereits so formuliert:

„Was in anderen Politikbereichen selbstverständlich ist, muss auch für die Kulturpolitik gelten: Die Legitimierung von Politikentscheidungen durch systematische Analyse und Darstellung der Gesamtzusammenhänge. Erst dadurch wird die Einordnung einzelner Entscheidungen ermöglicht.“

i. A. Margarethe Goldmann
Sprecherin des Arbeitskreises Stadtkultur

Farbe bekennen (Heft 3 – Winter 2014)

In der ersten Ausgabe des lilienjournals haben wir ausfĂĽhrlich das Stadtmuseum behandelt. Zwischenzeitlich hat sich viel getan, angeblich ist alles zufriedenstellend verhandelt, doch wenig dringt nach drauĂźen. Wie genau soll denn nun die Ausstellungshalle in ein funktionales Museum umgewandelt werden? Was soll es kosten es herzurichten? Wie sehen die Konditionen genau aus und was kostet es, wenn die Stadt selbst baut?

Das Stadtparlament hat mit den Stimmen der großen Koalition ein Mietmodell akzeptiert, welches die Stadt auf 30 Jahre bindet, jährlich 1,89 Millionen Euro für eine Museumsmiete und gut 2 Millionen Euro für den Betrieb aufzuwenden. Wird auch der Wunsch nach einem Stadtmuseum von vielen Wiesbadenern geteilt, so wird diese Art der Politik, die sich Investorenbelangen ausliefert und ohne Not enorme Schuldverpflichtungen für künftige Haushalte eingeht, nicht mehr verstanden. In einer seltenen Allianz folgen dem Aufruf der Bürgerinitiative „Gemeinwohl hat Vorfahrt“ zu einem Bürgerbegehren die meisten Oppositionsparteien, viele Initiativen und Kulturschaffende, die eine große Sorge erfüllt. Wir möchten daher die frühere Schul- und Kulturdezernentin und Moderatorin des Arbeitskreises Stadtkultur, Margarethe Goldmann, zu Wort kommen lassen.

Warum ich mich aktiv fĂĽr das BĂĽrgerbegehren gegen ein Mietmodell fĂĽr das Stadtmuseum Wiesbaden einsetze

In meiner Amtszeit von 1986-1992 als Schul- und Kulturdezernentin der Landeshauptstadt Wiesbaden wurde die Stadtmuseumsidee neu wiedergeboren, denn 1973 hatte die Stadt ihr Museum, das heutige Landesmuseum, an das Land Hessen abgegeben. Mit einer wissenschaftlichen Tagung, der Vorlage eines interessanten Museumskonzepts von Christoph Harwart (Hamburg) für die städtischen Körperschaften und ersten praktischen Ausstellungsprojekten in Kooperation mit der Geschichtswerkstatt wurde die Idee mit Leben erfüllt. Das alles erforderte intensive Arbeit und mehr war in sechs Jahren nicht zu schaffen.

Wenn ich auf meine Amtszeit zurückblicke, erinnere ich viel mehr als eine Bilanz von Fakten, also die Aufzählung des WAS seinerzeit gemacht wurde. Ich erinnere mich an das WIE, an Gespräche und Situationen mit Menschen, an Atmosphären, an viele, viele Konflikte. Ich frage mich, wie kamen Entscheidungen zustande, die Menschen gut getan und positive Energien und Engagement freigesetzt und wie solche, die blockiert haben? Die Art des Umgangs, die Anwendung von Verfahren, die Gestaltung der Beziehung zwischen Politik und Bürger – das entscheidet meiner Meinung nach über die Qualität von Politik. Große Häuser können auch Diktatoren bauen.

Ich engagiere mich fĂĽr das BĂĽrgerbegehren, weil die GroĂźe Koalition mit der Art und Weise, wie sie Idee eines Stadtmuseums behandelt und umzusetzen will, meine roten Linien ĂĽberschritten hat.

Hier wird ein Stadtmuseum bestellt,

1. das ein für Anleger renditefähiges, aus den Steuermitteln der Wiesbadener Bürgerschaft zu bezahlendes, Finanzprodukt der OFB, einer Tochtergesellschaft der HeLaBa, ist. Die Verträge zwischen OFB und Stadt sind geheim. Die Stadt hat die Regie über den Bau komplett abgegeben, will aber 30 Jahre lang viel Miete zahlen und niemand kann einem die Frage beantworten, ob der Bau und die Folgen, die er zeitigt, das wert sind.

2. für das es kein inhaltlich-fachliches ausgearbeitetes (Präsentations-)konzept gibt.

3. von dessen historischen und aktuellen Sammlungsbeständen man sich kein Bild machen kann, wofür sie taugen könnten („Plunder“ hat der ehem. Landesmuseumsdirektor die SNA genannt, als er sie aus seinem Museum an die Stadt abgegeben hat).

4. für das es bisher keine öffentlich zugängliche Berechnungen darüber gibt, was es in der Herstellung museumsreifer Innenräume, Erstausstattung, Technik und andere Folgekosten wohl näherungsweise kosten könnte. Dabei steht zu befürchten, dass die Herstellung notwendiger konservatorischer Bedingungen (Klimatisierung, Beleuchtung, Sicherheit) im Glasbau und der überdimensionale Screen (300 qm) viel Strom fressen werden. Auch über die für ein lebendiges Museum notwendige Personalaufstockung gibt es keine Kostenangaben. Es gibt überhaupt keinen Businessplan für dieses Projekt.

5. für das es bisher keine grundsätzliche Bereitschaft und keinen politischen Beschluss gibt, die mit der Museumsgründung notwendigen zusätzlichen Etatmittel vollständig und dauerhaft dem Kulturetat zuzusetzen und darüber hinaus eine Weiterentwicklung der Kulturinstitutionen, –initiativen und –vereine in einem Kulturentwicklungsplan darzustellen und finanziell zu garantieren. Stattdessen sollen die laufenden Kosten zu einem Teil (1 Million Euro) aus den eh schon mageren Kulturmitteln der Stadt finanziert werden.

6. für das ein ordentlicher Architektenwettbewerb, ein international eingeführter Standard der öffentlichen Bauens, mit dem auch junge Architekten und Frauen die Chance bekommen, einen großen öffentlichen Bau zu realisieren und Seilschaften zwischen Bauherren, Investoren und Architekten zugunsten transparenter öffentlicher Verfahren verhindert werden, 2009 durchgeführt wurde und zu einem akzeptiertem Siegerentwurf geführt hat. Dieser wurde einfach versenkt und damit 3 Millionen Euro Kosten produziert.

7. für das es keinen Wettbewerb, dafür aber einen neuen Architektenentwurf (Jahn) autokratisch und alternativlos vorgegeben von Seiten der OFB gibt, den der Gestaltungsbeirat und die örtlichen Architekten hart kritisieren, weil er nicht museumstauglich ist. Jahns Architektur folgt einer Globalisierungsästhetik, die überall auf der Welt auftaucht und bewusst jeden Lokalbezug ausschaltet. Ein Stadtmuseum soll mit seiner Einrichtung und den präsentierten Ausstellungen Identität und Identifizierung mit der (eigenen) Stadt stiften. Dieser Entwurf, dessen Fassade schon keinerlei Standortbezug transportiert, gibt auch innen keinen Hinweis auf den vorgesehenen Inhalt.

8. bei dessen weiterer Planung ständig von Bürgerbeteiligung gesprochen wird – aber nur zu den Fragen, die sich das Kulturdezernat stellt: Markenqualität, Zielgruppen und weitere, deren Diskussion folgen soll. Die Fragen der Bürger/innen werden konsequent nicht behandelt und nicht beantwortet.

Fazit:

Das alles hat für mich nichts mehr mit öffentlich legitimierter konzeptbasierter (Kultur-) Politik und demokratischer Stadtkultur zu tun: es ist intransparent, autokratisch und schadet dem Stadtklima. Diesem Verfahren möchte ich Einhalt gebieten – nicht dem Stadtmuseum. Für dessen Realisierung werde ich mich einsetzen, wenn die Stadtregierung auf den Weg der Offenheit, der Bürgerbeteiligung, der soliden Finanzierung und der Konzeptentwicklung zurückkehrt.

www.lilienjournal.de/kulturdebatte

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